Gastbeitrag als Gegenargumentation zu Marcos‘ „sinnlosen Reisen“ – Teil 6: Zur letzten Etappe
Wir setzen unsere Reise weiter nach Norden fort.
Die nächste Tagesetappe ist das Wadi Qelt in der Judäischen Wüste. Nach 4 Tagen faulenzen, viel Essen und Trinken in Jerusalem muss mal wieder was für die körperliche Fitness getan werden.
Mohammed setzt uns in der Wüste ab – wie sich das anhört! – und wir laufen, geführt von unserem einheimischen Führer los. Immer schön am Wasser entlang. Unser Führer hat eine biologische Grundausbildung und so erhalten wir Tipps, wie wir in der Wüste überleben würden: Welche Pflanzen kann man essen, welche besser nicht. Na toll! Eigentlich hatte ich gedacht, dass er uns hier auch wieder heil raus bringt. Wenigstens hat er sich nicht kulinarisch zu den Tieren der Wüste geäußert …
Und so laufen wir im Wadi entlang wie aufgereihte Streichhölzer – alle mit roten Köpfen, Einer hinter dem Anderen. Mal links vom Wasser, mal rechts, auch mal im Wasser. Freiwillig – meistens. An einer Stelle mit ineinanderlaufenden Bassins ziehen wir unsere durchgeschwitzten Wanderklamotten aus und wagen den Versuch eines abkühlenden Bades. Das ist aus zweierlei Sicht gar nicht so einfach: Die, die im Wasser sitzen, hätten sich eher 15 als 35°C gewünscht. Die, die draußen stehen (der weibliche Teil der Gruppe), kommen noch mehr ins Schwitzen, weil wir ja alle unsere attraktiven Wanderunterhosen zur Schau stellen.
Unfreiwillig ging nur meine Frau baden, weil ich glaubte, ihr beim Überqueren des Wassers helfen zu müssen. Wichtig ist in so einem Fall immer, dass es einen Schuldigen gibt. In dem Fall ich. Über die weiterführende Kommunikation zwischen uns beiden schweige ich an dieser Stelle lieber.
Aber auch diese Tour schließen wir mit allen Teilnehmern und ohne weitergehende Schäden an Mensch und Material ab. Mohammed hat wieder eingekauft und so können wir uns bei unserer Ankunft im Schatten einer Oase stärken.
Einen kurzen Zwischenstop auf unserem Weg nach Galiläa machen wir in Jericho, wo wir bei unerträglicher Hitze im Schatten des „Zachäusbaums“ den Versuch eines geistlichen Impulses wagen. Konzentration kaum möglich, auch weil wir ständig irgendwelche Souvenirs kaufen sollen. Am besten wäre es nun barfuß zu sein, dass die Brühe nicht in die Schuhe läuft. Aber ich habe mir ja die Fußsohlen schon am Toten Meer verbrannt und nach 4 Stunden Wadi-Wanderung brauche ich das jetzt nicht noch mal. Und so heißt es still sein, Backen zusammenkneifen und mit dem „Amen“ auf dem direkten Weg in den wunderbar 15°C kalten Bus einzusteigen.

Gegen Spätnachmittag kommen wir dann endlich an am See Genezareth zu unserem letzten Etappenziel auf unserer „Reise fürs Leben“. Und welch Luxus: Wir bleiben 4 Nächte in derselben Unterkunft. Ein Gefühl von Ruhe kehrt ein. Entspannung … Na, so weit will ich mal nicht gehen.
Aber trotzdem: Das hier vermittelt ein Gefühl von Urlaub – Strandurlaub: Jugendherberge – das hier läuft eher in die Kategorie All-Inclusive Strandhotel – mit direktem Zugang zum See. Zimmer mit „Garten- und Meerblick“, leider wieder ohne wirklich kaltes Wasser in der Dusche. Schlüsselausgabe geht ruck-zuck. Badehose an und ab in den See. Endlich!
Nach ausgiebigem Schwimmen: Beine hochlegen und geistige Vorbereitung aufs Abendessen. Und das was die Köche hier auffahren, toppt alle Buffets die wir bis dato gesehen haben. Ich bin es abgeschritten: 20 Meter lang! Raus, vors Gebäude, nachschauen, was das Schild sagt: Ja, ist echt ne Jugendherberge. Liebe JH-Köche in Deutschland, macht mal Urlaub in Israel.
Aber wir wären ja nicht in Israel, wenn ich nicht auch hier etwas „Schräges“ zu berichten hätte: Frühstücksbuffet wunderbar. Läuft alles recht entspannt. Keiner glaubt zu kurz zu kommen und drängelt oder braucht Aufstellbretter für seinen Teller. Lediglich … eine Gruppe Reservisten gastiert auch hier. Klar, warum nicht. Auch die wollen mal entspannen. Wer in der Bundeswehr gedient hat kennt es: Das G3 – ein Schnellfeuergewehr aus deutscher Fertigung. Da kommt jetzt a Schneckla daher (F) – eine durchaus attraktive junge Reservistin kommt zum Buffet – und hat ihr G3 geschultert. Selbstverständlich mit Magazin. Die Knarre fast so groß wie das Mädel. Von den israelischen Gästen hat gar niemand Notiz genommen. Scheint nicht ungewöhnlich zu sein. Ok … Hoffentlich kommt keiner von den rumflitzenden Rotzlöffeln (F) mit seinen Fingern an den Abzug. Nun, ich kann euch sagen, wir haben der jungen Soldatin großzügig Platz gemacht.



Jugendherberge und See Genezareth
Eigentlich müsste es Mehrzahl „die Reisen fürs Leben“ heißen. Bei der Anzahl Transportmittel, die wir nutzen: Flugzeug, Bus, Schusters Rappen und natürlich ein Boot. Schließlich sind wir in Galiläa auf Jesu Spuren und am See Genezareth hat er durchaus auch gewirkt. Teilweise sogar „auf“ dem See Genezareth – als er übers Wasser ging. (Das Thema sollte uns an den Banyas Wasserfällen noch mal begegnen). Zum Glück sind wir alle katholisch und so hatten wir genug Gottvertrauen – nicht wie Petrus, der daraufhin untergegangen ist – an der Seetüchtigkeit des fahrbaren Untersatzes, der uns am nächsten Morgen nach Kafarnaum gebracht hat. Nichts desto trotz dachten wir schon, wir erhalten den Vordruck für ein Testament, als wir das Boot bestiegen haben. Aber es hat sich dann lediglich als Urkunde für eine Bootsfahrt auf dem See Genezareth herausgestellt.



Bootsfahrt auf dem See Genezareth



Kafarnaum
Kafarnaum war für mich DER Ort, an dem ich ganz persönlich mich Jesus am Nähesten gefühlt habe auf dieser Reise. Hier hat er gewirkt, viele Jahre seines Lebens verbracht. Hier stand das Haus, welches man Petrus, dem Fischer zuordnet. Unter der modernen Kirche, die aussieht wie ein Ufo und in die man eine moderne Sicht von „Himmelfahrt“ interpretieren könnte. Und als wir das Gelände verlassen, fällt mir rechter Hand die Bank auf, auf der ein Mensch liegt. Hä, hat sich hier ein „Penner“ zum Schlafen hingelegt? Ah nein, ist ja nur eine Bronze. Aber Moment, schau dir mal die Füße an. Und da war er der Moment der Nähe … und wieder der Kloß im Hals. Hey du bist Franke, Mann!

In den 4 Tagen besuchen wir noch andere Orte am See Genezareth, die den bibelfesten Lesern ein Begriff sein dürften:
Berg der Seligpreisungen, den Ort der Brotvermehrung – Tabgha, Nazareth und am letzten Tag Magdala.


Ein krasses Beispiel für die Sinnlosigkeit des Konfliktes im Heiligen Land ist der Brandanschlag auf das von deutschen Benediktinern geführte Kloster im Jahr 2015, ausgeführt von jüdischen Nationalisten – einer nichtreligiösen Terrorgruppe, die die Präsenz und den Einfluss ausländischer (christlicher) Organisationen mit Gewalt bekämpfen („Price Tag“-Anschläge). Der Wiederaufbau wurde aus Spenden und einer widerwillig gewährten Unterstützung der israelischen Regierung erst im Sommer 2019 abgeschlossen. Direkt am Ufer des Sees konnten wir Gottesdienst feiern. Stimmungsvoll aber heiß.
Nazareth, der Heimatort von Josef und Maria – die Eltern von Jesus – ist heute eine Stadt mit knapp 80.000 Einwohnern. Hier wohnen – im israelischen Kernland gelegen – viele Muslime und Christen. Unsere Motivation, Nazareth zu besuchen ist weitgehend religiös. Wir besuchen die griechisch-orthodoxe Michaelskirche mit dem Brunnen, an dem Maria Wasser holte, als der Engel ihr die Empfängnis verkündet hat. Das Highlight – auch dimensional – ist die Verkündigungsbasilika, welche in den 1960er Jahren über dem Geburtshaus von Maria erbaut wurde und die jahrzehntelang das größte christliche Gotteshaus Asiens war.


Der letzte Tag vor unserer Heimreise – Tag 10.
Vormittag sind wir für einen halben Tag ganz nach Norden gefahren, in den von Israel mittlerweile annektierten Golan. Als Quellgebiet des Jordans und damit Hauptzufluss des Sees Genezareth wird der Golan aus israelischer Sicht als strategisch angesehen. Auch als Bollwerk vor syrischer Bedrohung gegen Galiläa hat das Gebirgsmassiv aus israelischer Sicht so große Bedeutung, dass die israelische Armee den Golan 1973 in einem 6 Tage dauernden Krieg erobert hat. Davon sehen wir nichts mehr außer ein paar ausrangierten Panzern auf einem Kinderspielplatz. Hier ist sie wieder, die Komplexität: Früh übt sich …
Wir nehmen den Golan als Wandergebiet mit relativ kühlen Temperaturen, viel Wasser und Grün wahr. Im Winter kann sogar Ski gefahren werden. Schräg, nicht? Skifahren in Israel.



Nach unserer Rückkehr packen wir Koffer für die Heimreise morgen. Als Abschluss unseres Aufenthaltes in Galiläa fährt uns Mohammed ein paar Kilometer am See entlang nach Magdala. Das Fischerdorf Magdala – wer kennt nicht die Geschichte von „Maria von Magdala“ im Neuen Testament – lag direkt am See. In den letzten Jahren wurden die Ruinen und Grundmauern ausgegraben. Neben einem Luxusressort in unmittelbarer Nähe zu den Ausgrabungen, welches im Herbst 2019 eröffnen sollte, wurde vor ein paar Jahren eine moderne Kirche direkt am See errichtet. Das Besondere: Der Altar hat die Form eines Fischerbootes. Dort wollen wir unseren Abschiedsgottesdienst feiern – auf Grund der Lokation eine sehr frauenorientierte Feier. Für so manchen erzkonservativen Katholiken haarscharf an der „Häresie“ vorbei. Orte wie diese sind auf die Minute durchgetaktet. Wenn eine Gruppe zu spät kommt, verfällt das gebuchte Zeitfenster. Aber der Franke ist ja pünktlich – nicht nur wenn es zum Essen geht. Also müssen wir uns beeilen mit der Besichtigung der Ruinen. Ganz schlimm für mich: Als alter „Ruinen-Kletterer“ bin ich auf unserer „Reise fürs Leben“ ja fast zu kurz gekommen. Also muss ich Magdala ausnutzen bis zur letzten Minute.






Impressionen aus Magdala

Ein letzter Sonnenaufgang am See Genezareth, Frühstücksbuffet, Auschecken bevor uns Mohammed zurück nach Tel Aviv zum Flughafen fährt. Vom Bus aus Stadtbesichtigung Tel Aviv, in Jaffa machen wir einen zweistündigen Zwischenstop. Wir wollen wenigstens mal kurz ans Meer. Wir stürmen eine Bäckerei. Laut Johannes die Beste in Jaffa und jeder – außer mir (ihr erfahrt weiter unten warum) – nimmt sich eine Kleinigkeit auf die Hand. Dann tingeln wir nochmal los, um uns von Israel zu verabschieden.



Abschied von Israel in Jaffa und Tel Aviv
Mit einem anständigen Trinkgeld verabschieden wir uns am Flughafen von Mohammed. Er hat uns die gesamten 11 Tage begleitet und umsichtig und sicher an alle Orte unserer Reise gefahren.
Die obligatorische Sicherheitsbefragung am Flughafen Ben Gurion läuft allerdings aus dem Ruder. Die israelischen Sicherheitsbeamten befragen uns zu unserem Reiseprogramm. Als sie erfahren, dass wir Daoud Nassar und Hebron besucht haben, bricht eine regelrechte Paranoia hervor. Unsinnige Fragen und Gepäcküberprüfungen – schlichtweg Schikane – verzögern das Einchecken, so dass wir trotz genug Vorlaufzeit recht knapp am Gate ankommen. Aber wir dürfen wieder alle nach Hause fliegen und besteigen kurz später unsere Lufthansa-Maschine nach Frankfurt.
Heimflug in den Abend, Ankunft in Frankfurt und die Busreise rückwärts nach Gemünden am Main. Nicht nur der Abschied von Israel fällt schwer, auch der von der Gruppe. Es waren sehr intensive 11 Tage als Gruppe.
Bei einem Nachtreffen im Januar 2020 waren auch fast alle 42 Teilnehmer anwesend. Wir haben Geschichten und Bilder ausgetauscht und jeder hat zu einem teilweise israelischen Buffet beigetragen.
Das Dicke – eigentlich eher Dünne – Ende:
In der letzten Nacht in Israel kommt die Rache für all meine lästerlichen Gedanken: Ich kriege die „flotte Lotte“! (F) Es ist das wohlfeilste fränkische Wort, welches mir für „Durchfall“ einfällt. Montezuma’s Rache! Halt, wir sind im Heiligen Land und nicht in Mexiko: Jahwe’s Rache etwa? Wo kommt das denn jetzt her? Bei all dem guten Essen. War’s einfach zu viel des Guten? Der Befund meines Hausarztes daheim sagt: „S…-irgendwas kokken“?! Nie gehört. Hat mich dann Gott sei Dank nicht ganz so lange begleitet wie die emotionale Verarbeitung unserer „Reise fürs Leben“. Johannes hatte es uns angekündigt. Ich habe gelächelt. „Johannes, ich bin Franke. Ich hab so viel auf der Welt gesehen …“
Und ich sag’s euch: Bäng – 2 Wochen lang – jeden Tag und jede Nacht! Was Intensiveres habe ich nie erlebt. Mein Tipp für euch: Probiert es selbst aus und macht Eure „Reise fürs Leben“. Ob ins Heilige Land – jenseits der politischen Grenzen nach Israel und Palästina – oder eine andere Ecke der Welt – wichtig ist, ihr macht sie!
Einwas kommt noch … im letzten Teil.








