Gastbeitrag als Gegenargumentation zu Marcos‘ „sinnlosen Reisen“ – Teil 5: Die Heilige Stadt
Jerusalem – die Heilige Stadt.
Ehrfurcht. Muss man ehrfürchtig sein, wenn man nach Jerusalem reist? Oder reicht auch Neugierde? Ich sag euch Leute: Völlig egal. Wer diese Stadt gesehen hat, den lässt sie nicht mehr los und der wird sie niemals vergessen. Warum? Lasst euch überraschen:
Wir kommen mit dem Bus an und sehen – eine Mauer! Nein, nicht diesen modernen Schandfleck. Eine altehrwürdige Mauer. Die Stadtmauer, an der sich so viele (auch fränkische!) Kreuzritter und Sarazenen die Köpfe eingeschlagen haben.
Wir treten ein und du denkst: Wo in diesem Gewirr wirst du ein Zimmer und eine kühle Dusche haben? In dem Moment ging mir meine Studienabschlussreise mit 2 Kommilitonen (nein, nicht mit Marco; ich bin doch viel – na ja: ein wenig – jünger als er) nach London durch den Kopf. Ein Heiden-Geld haben wir bezahlt für unser 3-Bett Zimmer. Und was sehen wir vom Fenster aus? Den Bürgersteig von unten und abgetretene Schuhe an eiligen Menschen. Panik! Bitte nicht hier. Die laufen alle so langsam und ich will NICHT wissen, was die unter ihren Kaftanen anhaben.
Wir kriegen unseren Zimmerschlüssel. Nummer 301. Drittes Ober- oder Untergeschoß? Der Aufzug bringt uns nach oben. Gott sei Dank!
Koffer ins Zimmer geschleppt – hurra wir können ihn auspacken: Wir bleiben 3 Tage! – Fenster-Rollo hoch und dann DAS:


Wenn das nicht „Liebe auf den ersten Blick“ wird!
Und glaubt es mir, es wurde Liebe. Wir haben uns tatsächlich in diese Stadt verliebt. Natürlich geht’s hier nicht in erster Linie um „tote Steine“: Tempel, Synagogen, Moscheen, Kirchen oder auch die römischen Überreste. Nein, es ist dieses „Miteinander und Durcheinander“. Die Altstadt hat 4 Quartiere: Das Armenische, Christliche, Jüdische und Muslimische. Ohne Mauern, Zäune, Stacheldraht. Wir können uns frei bewegen in der gesamten Altstadt und fühlen uns wieder sicher – keine Angst vor Anschlägen. Klar, allenthalben bewaffnete Polizei und Militär. Aber man gewöhnt sich irgendwie daran. Wir genießen Jerusalem in vollen Zügen: Die engen Gassen, der endlose Souk mit seinen tausenden kleinen Läden und Handwerkern. Das Gewimmel, der Lärm, die Gerüche.


Aber ihr fragt euch ja schon: Was schreibt der Kerl da? Wo ist das religiöse Jerusalem – die Heilige Stadt? Keine Angst, sie kam nicht zu kurz. Klagemauer, Felsendom mit Al Aqsa Moschee, Via Dolorosa, Grabeskirche – haben wir alles gesehen. Jede für sich sehenswert (muslimische Gotteshäuser dürfen Christen nicht betreten) und total überfüllt – egal zu welcher Zeit man hingeht. Nichts desto trotz beeindruckend mal so richtig mittendrin zu sein.
Was uns Christen natürlich zuerst nahe geht ist die Grabeskirche. Was heißt hier Kirche? Kirchen! Mehrere übereinander, ineinander und nebeneinander. Und darüber hinaus sind die verschiedenen Konfessionen – gleichberechtigte Hausherren – wie „Hund und Katz“ aufeinander, seltener auch miteinander. Christliche Nächstenliebe halt und wieder mal „komplex“!



Beurteile eine Stadt nie, ohne dass du ihre Hinterhöfe gesehen hast. Auch diese Möglichkeit konnten wir wahrnehmen: Bei einem Rundgang auf der Stadtmauer. Nicht so imposant wie in Xian/China, wo man mit dem Fahrrad einmal ums Karree fahren kann, aber trotzdem beindruckend hoch und allemal eine Möglichkeit von einem Viertel ins nächste zu kommen, ohne sich durch Menschenmassen schieben zu müssen. Und was soll ich euch sagen bezüglich der Hinterhöfe? Wenig spektakulär. Hunde, Katzen, Satellitenschüsseln. Und was bei uns im Keller abgestellt wird, steht hier halt auf den Flachdächern.
Aber Jerusalem besteht nicht nur aus Altstadt. Die Neustadt kann mit jeder europäischen Metropole mithalten: Schräg, konsumorientiert und auch mondän.
Ansonsten kommt hier meine Empfehlung: Fahrt mal selbst hin! Drei Tage Jerusalem vergehen wie im Flug.
Einwas (den Begriff kennt ihr schon aus Teil 1) wollte ich euch nicht vorenthalten:
Wer von euch hat schon mal an einem Gottesdienst im griechischen Ritus teilgenommen? Genauer gesagt im Griechisch-Katholisch-Melkitischen Ritus. Niemand? Definitiv eine Erfahrung wert. Die Gesänge sind ohrenbetäubend – dagegen war unser Franken-Chor in der Geburtsgrotte in Bethlehem ein Mäusequartett. Hört sich nicht immer nach Gesangsausbildung an, aber der Herr hat’s vernommen. Unser Pfarrer – ja natürlich, wir hatten neben Johannes, welcher die weltliche Reiseleitung inne hatte auch eine geistliche Reiseleitung dabei – durfte das Evangelium in Deutsch vorlesen und vom (laut seinen Ausführungen) äußerst schmackhaften Mess-Rotwein kosten. Wir durften dann auch nach dem Schlusssegen noch ein deutsches Kirchenlied anstimmen. Aber bei aller Mühe, die Dezibel-Competition haben wir haushoch verloren. Sollte sich ein Nicht-Christ in einen Griechisch-Katholisch-Melkitischen Gottesdienst verirren und so gar nichts mit dem Ritus anfangen können, es gibt eine ganz profane Beschäftigung: Bilder gucken – so wie früher im Kinder-Gebetsbuch. Die Kirchen sind komplett von unten bis oben – von vorne bis hinten mit Bildern ausgemalt und mit Ikonen bestückt. So gehen die fast 90 Minuten Gottesdienst dann auch rum. Aber wir haben’s genossen und im Anschluss gab’s dann noch Tee, Kaffee und Gebäck. Da ist sie wieder, die Gastfreundschaft.



