Gastbeitrag als Gegenargumentation zu Marcos‘ „sinnlosen Reisen“ – Teil 3: Wir steigen ein
Servus Leute, hier bin ich wieder …
Wir sind mittlerweile in Bethlehem angekommen. Das liegt im palästinensischen Autonomiegebiet – also „hinter der Mauer“. Nicht nur alle Berliner über 35 Jahre unter uns hat das Ausmaß dieses Monstrums erschreckt: 9 Meter hoch. Kilometer lang durch die ganze Stadt. Da ist er doch, der erste Eindruck von „schwerer Kost“.


So schwer das für die „Palästinenser“ hinter der Mauer auch ist: Freundlichkeit, Offenheit und Lebensfreude – wo immer wir hinkommen. Zugegebenermaßen: Je prekärer die Situation vor Ort, umso lieber sind wir gesehen. Klar, da wo 42-facher fränkischer Hunger, Durst und Einkaufswut aufschlagen, wird auch der Opa aus dem Lehnstuhl im Schatten aufgescheucht, um mit anzupacken.
Aber zurück nach Bethlehem: Wir checken ein im Gästehaus eines Ordens mit angeschlossenem Waisenhaus. Schluck! Schwere Kost zweites Kapitel. Wir hören Geschichten, die uns nicht kalt lassen. Ich hatte mehrere Päckchen Gummibärchen mitgebracht – und war sofort der „Chef“. So viele Kinder hatte ich bei keinem „Fang den Indiander“-Spiel auf den Geburtstagen meiner Kinder an mir hängen!
Aber was wäre ein Besuch in Bethlehem ohne in unsere christliche Tradition einzutauchen:
Gottesdienst in einer der Höhlen an den „Hirtenfeldern“ und natürlich der Höhepunkt: Die Geburtsbasilika.
Die Türe – der Begriff ist schon fast ein Frevel und im Vergleich zu Marcos Hotelzimmertüre in Thessaloniki eigentlich ein Mauseloch – müssen wir erst mal alle überwinden. Aber sie ist fast so breit wie hoch (ca. 80cm). Mit vereinten Kräften bringen wir alle durch! Drinnen: Anstellen. Wir wollen in die Geburtsgrotte. Nach 45 Minuten (es ist wenig los!) sind wir auf den Stufen nach unten. Dann: Schweigen, Andacht: Hier wurde Jesus geboren. Unfassbar! Ich berühre den 14-zackigen Geburtsstern: Genau hier – vor über 2000 Jahren. Dann stimmt Johannes an: „Stille Nacht, Heilige Nacht“ – 42 stimmgewaltige, katholische Franken mitten im August. Alle anderen flüchten. Wir sind ergriffen, es rollen Tränen der Rührung. Ich weiß, was ihr sagen wollt: „Ein Franke heult nicht!“ Es muss Ausnahmen geben. Heute ist eine.

Jetzt haben alle Hunger: Der beste Falafel Laden am Platz wird gestürmt. Die Fritteuse läuft auf Hochtouren. Der Falafel-Fritteur (sagt man so?) schwitzt wie verrückt. Eigentlich sind die Dinger gar nicht so salzig, klärt uns Johannes auf – Schluck! Was solls: Rein damit. Es ist 12 Uhr mittags und die schmecken „gar nicht schlecht“ (F); 2. Stufe. Auch das solltet Ihr wissen: Es gibt nix schlimmeres als wenn ein Franke hungrig ist.
Noch einen Tee beim „fliegenden Teeverkäufer“, Gewürze für Daheim bei Johannes Gewürzhändler des Vertrauens und einmal über den Geflügelmarkt schlendern.
Oh nein, Leute: Wir waren das nicht! Es war August und wir waren in Bethlehem – und nicht im Dezember in Wuhan!
Am Abend schlägt Johannes vor, in einer Bar einen Absacker zu nehmen. Na klar, ein so richtig orientalischer Abend bei Tee und Bauchtanz – warum nicht?
Den Laden musst Du erst mal finden. Aber Johannes kennt ja die Besitzerin. Schallplatten an der Schiebetür. Beatles und Rolling Stones! Äh? Und dann: die größte Schnapstheke, die ich jemals gesehen habe! Coole Drinks, japanische Snacks und fetzige Musik: Willkommen bei palästinensischen Christen!

Einen Ausflug etwas Außerhalb von Bethlehem machen wir dann noch. Wir besuchen Daoud Nassar und sein Projekt „Tent of Nations“. Das ist der ganz dicke „Kloß im Hals“. Googelt mal ein wenig, dann wisst ihr was ich meine. Wirklich Mut für die Zukunft von Israel und den Gebieten der palästinensischen „Selbstverwaltung“ macht das, was wir sehen und hören, nicht. Und trotzdem sagt er: „Wir weigern uns Feinde zu sein.“ Den Mut und den Durchhaltewillen dieses Mannes möchte ich haben: Kein Haus – nur Höhlen, kein fließendes Wasser – nur Zisternen und keinen Stromanschluss – Photovoltaik (na ja, Sonne gibt’s im Vergleich zu Wasser ja genug). Es ist sein eigenes Land und trotzdem verwehrt ihm sein eigener Staat – Daoud ist Israelischer Staatsbürger mit christlich palästinensischen Wurzeln – diese Dinge. Und immer wieder kommen die Bulldozer …
„Komplex“. Diesem Begriff schließe ich mich an, wenn es um den Versuch einer einigermaßen neutralen und emotionslosen Beschreibung der politischen Situation im Heiligen Land geht.
So, das war’s für heute. Nicht schwermütig werden, Leute. Es geht weiter …